Architektur – Impulsgeber fĂŒr die Zukunft: Interview mit Arch. DI Horst Reiner, Partner der ATP Gruppe

08.07.2022zur Übersicht

DI Horst Reiner

Architektur bedeutet VerĂ€nderung – seit jeher hat jede Zeit auch „ihre“ Architektur. Neben gestalterischen Herausforderungen stehen heute aber noch ganz andere Themen im Fokus. Wir haben mit Architekt DI Horst Reiner, Partner der ATP Gruppe und GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Standorte in Wien und Ungarn, ĂŒber die aktuellen „Trends“ und die Zukunft gesprochen.

GebĂ€ude von gestern und heute unterscheiden sich nicht nur in ihrem Ă€usseren Erscheinungsbild. Neue Materialien, die Digitalisierung bei der Planung bzw. im Bauwerk selbst, deutlich gestiegene Anforderungen hinsichtlich der Funktion von GebĂ€uden und natĂŒrlich das Thema Nachhaltigkeit – das sind nur einige der markanten Punkte. Wir haben nachgefragt und wollten wissen, was das in der Praxis bedeutet und natĂŒrlich wo es hingeht?
 

Herr DI Reiner, was sind aus ihrer Sicht die wesentlichsten Trends heute?

Horst Reiner: Ich spreche in der Architektur nicht gerne von Trends. Denn „Trends“ sind etwas oft rasch VergĂ€ngliches. Sprechen wir jedoch von Themen, die die Architektur von heute massgeblich beeinflussen, dann sind das ganz klar der Klimawandel, die Umwelt und die „ZukunftsfĂ€higkeit“ der GebĂ€ude. Dazu gehört auch die Betrachtung des GebĂ€udes als CO2 Treiber – was verursachen unsere GebĂ€ude bei der Errichtung, im Betrieb und bei der finalen Entsorgung? Mit diesen Themen mĂŒssen wir uns intensiv beschĂ€ftigen. Darum haben wir im vergangenen Jahr den „ATP Green Deal“ ins Leben gerufen. Das heisst, wir wollen proaktiv in Richtung CO2-neutrale GebĂ€ude planen. Damit sehen wir uns als Impulsgeber fĂŒr die Zukunft.rlassen.“

 

In einem Radiobeitrag war vor kurzem zu hören, dass etwa 38 Prozent des globalen CO2 Ausstosses von GebĂ€uden verursacht werden – stimmt das?

Das klingt durchaus realistisch – je nach Betrachtung kann es sogar noch mehr sein. Alleine der Betrieb eines GebĂ€udes verursacht in unseren Breiten direkt und indirekt schon rund 40 Prozent des gesamten lokalen CO2 Ausstosses. Nicht nur durch den Betrieb im engeren Sinn, sondern auch durch die Lage und Konzeption. Der Verkehr, der durch den Standort verursacht wird, ist einzukalkulieren. Es stellt sich also nicht nur die Frage „Wie konzipiere ich ein GebĂ€ude?“, sondern auch „Wo platziere ich es am besten?“. Dem „Bestand“ kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Das hat viel mit FlexibilitĂ€t und Nachnutzung zu tun – auch die sollte man mitplanen. Nicht zu vergessen: Jedes GebĂ€udes gehört ab dem Moment seiner Fertigstellung zum Bestand – diesen gilt es immer wieder zu hinterfragen und optimal zu nutzen. Provokant kann man sagen: Das effizienteste GebĂ€ude ist jenes, das man gar nicht erst baut, weil man es durch andere Massnahmen ersetzt hat.

 

Ist das nicht schlecht fĂŒr Ihre Berufsgruppe?
Nicht unbedingt. Denn zum einen trifft das Thema „Umwelt“ uns alle und zum anderen bedarf es auch bei der Revitalisierung einer Ă€usserst umfangreichen Planung. Kommen wir auf die FlexibilitĂ€t zurĂŒck, von der ich gesprochen habe. Die effizientesten GebĂ€ude, die wir in Wien kennen, sind die GrĂŒnderzeitbauten. 90 Prozent unserer Stadt bestehen aus diesen GebĂ€uden, die zwischen 1850 und 1900 zur Stadterweiterung gebaut wurden. Sie werden – nicht zuletzt dank ihrer Volumetrik und Standardisierung – seit ĂŒber hundert Jahren unterschiedlich genutzt. Das ist echte Effizienz.
 

Und wie sieht es bei diesen Bauten thermisch aus?
Sie sind thermisch durchaus gut, da sie aus ZiegelwĂ€nden bestehen. Und sie lassen sich meist thermisch weiter optimieren. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die C02-NeutralitĂ€t. Im Gegensatz zu den GrĂŒnderzeitbauten sind Industrie- oder WohngebĂ€ude aus der Nachkriegszeit aufgrund ihrer rigiden Struktur und der bautechnischen QualitĂ€t nur schwer „umzunutzen“. Wenn also nur ein zumindest teilweiser Abriss bzw. eine Neuerrichtung bleibt, dann ist die C02-Bilanz natĂŒrlich sehr schlecht.

EuropÀisches Patentamt / Visualisierung: ATP

Angesichts dieser Themen und im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung: Wo geht es hin in der Architektur in Sachen Design, Funktion und Werkstoffe?

Der römische Architekt Vitruv hat vor ĂŒber 2.000 Jahren Thesen aufgestellt, die auch heute noch GĂŒltigkeit haben. Das GebĂ€ude muss drei Dinge können. Venustas – Schönheit, Utilitas – GebrauchsfĂ€higkeit und Firmitas –  Standfestigkeit. Das ist im Grunde unverĂ€ndert. Schönheit geht mit dem Design Hand in Hand, FlexibilitĂ€t gehört zur Funktion bzw. GebrauchsfĂ€higkeit und die Standfestigkeit bedeutet nicht nur, dass GebĂ€ude statisch stehen mĂŒssen, sondern auch viele Jahre ĂŒberdauern sollen. Diese Thesen haben noch immer GĂŒltigkeit.

 

Die voranschreitende Digitalisierung ist auch bei GebĂ€uden ein zentrales Thema. Was bedeutet das fĂŒr Sie, wenn Sie an ein GebĂ€ude herangehen?
Wir haben schon im Jahr 2008 als Vorreiter in Österreich mit der Digitalisierung der Planung begonnen. „Building Information Modeling“ bedeutet, dass wir heute keine zwei- oder dreidimensionalen PlĂ€ne zeichnen, sondern einen digitalen Zwilling des GebĂ€udes aus Elementen in einem Modelliersystem erstellen.


Wie funktioniert das in der Praxis?
Wir bauen digitale, virtuelle Elemente. Eine TĂŒre wird beispielsweise im herkömmlichen zweidimensionalen Plan als Viertelkreis dargestellt, ein Mittelstrich und die Massangabe z.B. 80/200. Dieses Symbol stellt dar, in welche Richtung eine TĂŒre aufgeht, wie breit und wie hoch sie ist – und dann gibt es ggf. noch eine Bezeichnung fĂŒr eine Brandschutzqualifikation. Eine TĂŒr hat aber noch eine Vielzahl an weiteren Funktionen und Informationen, die der klassische Plan nicht abbilden kann. DafĂŒr gibt es zusĂ€tzlich eine TĂŒrliste. In der stehen dann  40 bis 50 ergĂ€nzende Definitionen der jeweiligen TĂŒre. Welches Material, welche OberflĂ€che, welcher Beschlag, ist sie elektrisch versorgt, mit Elektronik ausgestattet und welche Funktionen besitzt sie? Rein optisch schauen TĂŒren auf dem Plan heute noch so aus wie frĂŒher – sie sind aber hochkomplexe digitale Elemente, die mit vielen Zusatzinformationen versehen sind.  Klickt man eine TĂŒre im digitalen Modell an, bekommt man alle Informationen angezeigt. Zum Beispiel: Wer hat sie produziert, wann wurde sie von wem eingebaut, was hat sie gekostet, wann lĂ€uft die GewĂ€hrleistungsfrist ab oder wann ist eine Wartung fĂ€llig.

 

Sie haben also einen digitalen Zwilling mit allen Features und allen Lifetime-Informationen dazu?

Genau. Und dieses Beispiel „TĂŒre“ kann man auf das gesamte GebĂ€ude ĂŒbertragen. Jedes eingesetzte Element hat eine Geschichte und diese Geschichte bildet das Modell ab. Das geht aber nicht nur bei Bauelementen, sondern auch bei allen technischen Anlagen, wie LĂŒftungsgerĂ€ten, Trafos oder Leuchtelementen.

Viega Seminarcenter Attersee. Foto: ATP/Kuball

War so eine Entwicklung fĂŒr Sie vorhersehbar?

Ich komme aus der Generation der „klassischen“ Planzeichner, durfte also die ganze Entwicklung selbst miterleben. Dennoch oder gerade deshalb empfinde ich es manchmal als erstaunlich, was heute alles möglich ist. Ich sehe hier ein enormes Potential, denn die Baubranche nutzt – im Gegensatz zu vielen anderen Industriezweigen – die Digitalisierung im Grunde heute noch recht wenig. Das Bauen selbst passiert wie eh und je. Die Produkte, die verbaut werden, und die Planung sind hingegen zunehmend digitalisiert.

Bleiben wir bei den Produkten. Was sind fĂŒr Sie als Architekt heute zentrale Forderungen an die Hersteller?

Die meisten Hersteller sind bei der Digitalisierung ihrer Produkte heute sehr weit. Wir setzen aber immer eine Vielzahl an Produkten ein. FĂŒr uns ist es daher wichtig, dass wir alle diese Produkte kombinieren können. Leider digitalisieren viele Hersteller aber nur fĂŒr sich, mit einer eigenen Systematik. Es kommt aber auf das Zusammenspiel an. Das Ergebnis ist oft ein Überfluss an Daten aber nur ein Minimum an brauchbaren integralen Informationen.

 

Das heisst, die „Puzzlesteine“ passen nicht immer zusammen und / oder Sie haben grossen Aufwand, die Daten zu synchronisieren?

Ja, so ist es. Es geht ja letztendlich nicht nur um das Zusammenspiel im virtuellen Bereich, sondern auch bei den konkreten Produkten selbst, zum Beispiel in der Haustechnik, also die Anwendung der Mess- Steuer- und Regeltechnik vor Ort.

 

Sie arbeiten seit vielen Jahren mit Peneder zusammen. Was macht diese Zusammenarbeit fĂŒr Sie aus?
Grundvoraussetzung ist, dass die QualitĂ€t der Produkte ĂŒberzeugt – das sehe ich hier jedenfalls gegeben. Das Unternehmen ist aber auch sehr innovativ – es arbeitet an seinen Lösungen immer weiter und berĂŒcksichtigt dabei die Anforderungen und BedĂŒrfnisse des Marktes. Nicht zu vergessen ist die Beratung. Ich schĂ€tze es sehr, dass es fĂŒr jede Anforderung das richtige Produkt gibt und dass bei Herrn Hollerer und seinem Team die beste Lösung nicht immer die teuerste sein muss. Unsere Ansprechpartner kommen manchmal auf Ideen, die wir so zunĂ€chst gar nicht „auf dem Radar“ hatten – das begeistert.
 

Kommt es Ihnen bei der Planung entgegen, dass bei Peneder jede TĂŒre ein Unikat ist?

Ein ganz wichtiger Punkt! Denn zwischen dem Plan und der RealitĂ€t auf dem Bau gibt es oft deutliche Unterschiede –ein echtes Spannungsfeld. Digitalisierung hin oder her – es ist heute lĂ€ngst nicht selbstverstĂ€ndlich, jede Öffnung exakt so zu bauen, wie sie laut Plan sein sollte. Da wĂ€ren neue Lösungen durchaus hilfreich. Weil es diese noch nicht gibt, ist es umso wichtiger, dass Peneder auf der Baustelle Naturmasse nimmt und die Produktion entsprechend ausrichtet.
 

Aber Sie planen nicht konkret Peneder-TĂŒren ein?

Wir schlagen unseren Bauherrn Leitprodukte vor und planen generisch, um Wettbewerb zu ermöglichen. Die QualitĂ€t der Produkte und die Lieferzeiten sprechen jedoch oft fĂŒr Peneder.

 

Was macht aus Ihrer Sicht das Thema Brandschutz bei heutigen GebĂ€uden zur Herausforderung fĂŒr Architekten?

Der Brandschutz von GebĂ€uden hat eine wichtige PrĂ€misse: Er dient dem Schutz von Menschen – wir entwickeln mit Fachleuten dementsprechende Brandschutzkonzepte. Dabei geht es meist um das Öffnen oder Schliessen von RĂ€umen. Die Firma Peneder entwickelt hierfĂŒr perfekte Produkte. Klassische TĂŒren oder Brandschutztore, die beinahe komplett verschwinden aber im Falle eines Brandes zentralgesteuert aus- oder herunterfahren sowie Sonderlösungen mit speziellen Features. Wichtig ist, dass Brandschutz und Design heute kein Widerspruch mehr sein muss. Das breite Angebot von Peneder ist da ein grosser Pluspunkt.

Ringana Campus, St. Johann in der Haide, Foto: ATP/AnnABlaU

Abschliessend möchten wir Sie um einen Blick in die Zukunft bitten. Was wĂŒrden Sie sich im Hinblick auf die TĂŒren von morgen wĂŒnschen?
Eine interessante Frage! Eine TĂŒre könnte ja grundsĂ€tzlich „Geschichten“ erzĂ€hlen. Wenn sie „denken“ könnte, wĂŒsste sie, wer gerade im Raum ist, wer wie lange drinnen war oder wer wann hinein- bzw. herausgegangen ist – unpersonalisiert und ganz ohne zusĂ€tzliche Zutrittskontrolle, wie Key-Cards oder dergleichen. Dieses Wissen könnte man nutzen – zum Beispiel im Rahmen der Haustechnik. RĂ€ume können ĂŒber Sensoren ĂŒberwacht werden, die helfen, den Raum digital zu kontrollieren und zu konditionieren. Teile davon könnte eine „intelligente“ TĂŒre ĂŒbernehmen. Dabei geht es zum Beispiel um die LuftqualitĂ€t, Temperatur oder Beleuchtung. Muss ein Besprechungsraum wirklich immer beheizt werden, selbst wenn den ganzen Tag niemand drinnen sitzt? Gerade fĂŒr das Energiemanagement wĂŒrde das spannende Möglichkeiten eröffnen, ohne dafĂŒr zusĂ€tzliche Sensorik im Raum verbauen zu mĂŒssen. Ein bisschen mehr Technik direkt an der TĂŒre könnte da hilfreiche Informationen liefern. Das wĂ€re aus meiner Sicht der nĂ€chste Level der Digitalisierung von TĂŒr und Tor.

 

Bist du neugierig geworden? Möchtest du wissen, was heute schon alles möglich ist?
Dann lass dich von unserer breitgefÀcherten Produktvielfalt inspirieren.

Horst Reiner. Foto: ATP/Becker

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