Dekarbonisierung der Produktion in Fraham

14.09.2022zur Übersicht

Biomasse statt Gas: An Produktionsstandorten, wo das Gebäude der Schauplatz energieintensiver Prozesse ist, schlummern oft erhebliche Potentiale – ein sehr genaues Hinschauen lohnt sich.

Nachhaltigkeit, die punktet

Bei Peneder setzen wir uns proaktiv für klimaneutrale Produkte und eine klimaneutrale Fertigung ein. Was das in der Praxis bedeutet und welche Erfolge wir damit erzielen, darüber möchte ich in diesem Blogbeitrag berichten.

Blogger: Markus Brychta, Physiker, zuständig für das Prozess- und Energiemanagement bei Peneder

Bis 2030 wollen wir klimaneutral sein – damit haben wir ein klares Ziel für alle unsere Produkte und Standorte. So etwas geht nicht im „Ho-Ruck-Verfahren“ – am Anfang steht die Idee, dann braucht es Begeisterung und Expertise, um schließlich ein umfassendes Konzept in konkreten Schritten umzusetzen. Damit ist das genau mein Kernthema, denn ich bin als Physiker und Umweltexperte für das Prozess- und Energiemanagement bei Peneder zuständig. Das dafür erforderliche Know-how setzen wir nicht nur bei uns selbst, sondern auch bei unseren Kunden ein, die wir bei der Optimierung ihrer Betriebsstätten und Produktionsabläufe unterstützen. Insbesondere für unseren Baubereich ist das ein wichtiges „Feature“, denn gerade an Produktionsstandorten, wo das Gebäude der Schauplatz energieintensiver Prozesse ist, schlummern oft erhebliche Einsparpotentiale – da lohnt sich das sehr genaue Hinschauen für die Umwelt und auch aus wirtschaftlicher Sicht.

Produktivität als Schlüssel zur Energieeffizienz

Eine wichtige Erkenntnis war für uns, dass viele unserer Kunden aus Industrie und Gewerbe in Beratungsgesprächen stärker auf das Thema Produktivität ansprechen als auf Energieeffizienz. Also starten wir oft gemeinsam in Richtung Produktivität und sorgen im Laufe des Projekts dann auch für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Dazu gehört es, die Architektur, Haustechnik, Betriebsabläufe, Intralogistik und Vieles mehr gemeinsam zu betrachten und in einen Kontext zu setzen. So sind beispielsweise Schnittstellen zwischen Fertigungsbereichen immer sehr spannend: Wie viel muss hier tatsächlich gelagert werden? Können wir im Prozess puffern oder nur im fertigen Produkt? Und wer behält im realen Betrieb den Überblick und steuert die Material- und Energieströme? Dabei unterstützen wir unsere Kunden.

Von der Energieeffizienz zur Dekarbonisierung

Bei unseren eigenen, also Peneder selbst betreffenden Umwelt-Aktivitäten sprechen wir gegenwärtig bewusst von der Klimaneutralität als Ziel, denn diese lässt sich gut an konkreten Zahlen festmachen, sie ist quantifizierbar. Zudem erlaubt uns dieser Begriff und sein Verständnis „breiter“ zu denken, mehr Themen einzubeziehen. Der Beginn dieser „Reise“ lag im Bereich Energieeffizienz, mit dem vorrangigen Ziel der Kostenreduktion. Heute sprechen wir hingegen von der „Dekarbonisierung“ – eine deutlich ganzheitlichere Betrachtung.

Der Peneder Produktionsstandort in Fraham wurde umfangreich modernisiert und ist nun nahezu klimaneutral.

Stichwort „Klimawirkung“

Bei der „Dekarbonisierung“ steht die Klimawirkung als großes Ganzes im Fokus. Das beinhaltet auch weiterhin, bei geringerem Energieeinsatz mehr Output zu generieren, also immer effizienter zu werden. Dazu kommen aber noch ganz andere Themen: Welche Form von Energie setzen wir ein? Wie ist die Klimawirkung der Prozesse? Oder was bleibt als Reststoff und geht womöglich im Prozess irgendwo ein Lösungsmittel oder ein anderer Stoff in die Atmosphäre über? Das ist ein hoher Anspruch. Darum haben wir uns der Initiative „Energy Transition Leaders“ in Oberösterreich angeschlossen, bei der sich Unternehmen austauschen und gemeinsam die Dekarbonisierung vorantreiben. Dabei ist im Laufe der Jahre anstelle der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energie die „Klimawirkung“ in den Mittelpunkt gerückt. Weg vom alleinigen Einsparen von Kilowattstunden, hin zur Betrachtung der Klimawirkung in Kilogramm/Tonnen CO2 Äquivalente. So wurde die Dekarbonisierung der Fertigung für uns zum Ziel. Es geht also darum, den Ausstoß von Treibhausgasen nachhaltig zu reduzieren und – falls erforderlich – zu kompensieren. Das GWP (Global warming potential) wird immer mehr zu einer Regelgröße im Unternehmen.

Global warming potential

Ein Baustein zur Verwirklichung dieser gemeinsamen Vision ist die Betrachtung der Herstellung unserer Produkte im Hinblick auf ihr Treibhauspotential im Rahmen einer Umweltproduktdeklaration. Auf Grundlage dieses GWP erarbeiten wir Optimierungsmaßnahmen, um uns immer weiter zu verbessern. Ein anschauliches Projektbeispiel dafür kommt aus unserem Brandschutzbereich, wo jedes Jahr zehntausende Brandschutztüren mit Hilfe eines Ofens pulverbeschichtet werden. Beheizt wurde dieser bis vor kurzem mit Gas. Im Rahmen eines Workshops entwickelten wir im Jahr 2018 die Idee, hier zu 100% Biomasse zum Einsatz zu bringen – also Gas vollständig zu ersetzen. Diese Idee ließ uns nicht mehr los …

Das Prinzip des Einbrennofens mit Hackgut. (c) Rippert

Gas raus – Hackschnitzel rein

Die Umstellung der Produktion – weg vom Gas und hin zu Hackschnitzel – ist natürlich nicht einfach. Darum schrecken viele Unternehmen oft lange davor zurück. Gas ist nämlich von klar definierter Qualität, war – zumindest bisher – immer gut verfügbar und hat(te) einen eindeutigen Preis. Zudem kommt das Hackgut mit dem Traktor, braucht einen Lagerplatz, dann staubt es und noch einiges mehr. Für viele Betriebsleiter war das vor der aktuellen Energiekrise daher kein Thema. Wir können heute jedoch aus unserer eigenen Erfahrung sagen: Es lohnt sich! Nicht nur auf Grund der gegenwärtigen Situation in Sachen Gas – sondern mit Blick auf die Umwelt.

Teamwork ist entscheidend

Das Konzept für die Umstellung ist im Laufe einiger Jahre immer weiterentwickelt worden. Wichtig war dabei der interdisziplinäre Ansatz. Verantwortliche aus den verschiedensten Bereichen waren an Bord – der Produktmanager für Brandschutztüren, ein Architekt, Bautechniker, Projektleiter, Instandhalter, die Kolleginnen und Kollegen aus dem Prozess-/Energiemanagement und viele andere mehr. Alle gemeinsam haben wir das Projekt auf den Weg gebracht und begleitet. 

Video-Usecase "Dekarbonisierung der Produktion" 

Lieferanten als Partner

Auch die Lieferanten der Pulverbeschichtung haben wir ins Boot geholt und gefragt: Welche Temperatur ist wirklich erforderlich? Wie lange ist die Verweildauer der Teile? Wie können wir das auf die Biomasse anpassen? Den Ofenhersteller, der selbst schon in einer Kooperation mit einem Biomassekessel-Hersteller war, haben wir ebenso eingebunden. Auch die „Energy Transition Leaders“ und andere Netzwerke waren hilfreich, um hier unseren Erfahrungsschatz in Richtung Dekarbonisierung auf- und auszubauen. Dazu kamen viel „Hirnschmalz“, eigene Messungen, Experimente und ein breiter Austausch mit Menschen, die zum Thema etwas zu sagen haben. Bis es schließlich soweit war – es gab die zukunftsorientierte, aber mutige Entscheidung der Geschäftsführer und Eigentümer den Umstieg durchzuziehen.

Der große Moment

Letztendlich ist dann – nach intensiver Vorbereitung – doch ein „Ho-Ruck“ gefragt. Es gab nämlich den Tag, an dem das Gas abgedreht und der alte Ofen weggerissen wurde. Da musste alles absolut perfekt getaktet sein, denn die Zeit lief. Bei uns hieß das eine Komplettumstellung von Dezember bis Jänner.  Und es hat alles perfekt geklappt – es war ein großer Moment als wir wieder auf Betriebstemperatur waren und die ersten Türen aus der biomassebeheizten Pulverbeschichtung kamen. Darauf waren wir alle Stolz – der Tag, an dem sich unsere CO2-Bilanz deutlich verändert hat.

Die Umweltproduktdeklaration

Wir haben uns entschlossen, unsere Produkte im Rahmen von Umweltproduktdeklarationen durch das IFT Rosenheim extern prüfen zu lassen. Diese Prüfung beginnt beim Ausgangsmaterial. Wie wird es zum Werk gebracht? Wie wird das Produkt Schritt für Schritt gefertigt, wo wird es hingebracht und wie verbaut? Es gibt mehrere Phasen über den gesamten Lebenszyklus jedes Produkts. Die zentrale Frage ist dabei immer: Welche Klimawirkung hat mein Produkt? Dieses „Global warming potential“ wird mit Hilfe eines komplexen Simulationstools und umfangreichen Datenbanken errechnet. Die Umweltproduktdeklaration spiegelt die Ergebnisse dann für jedes einzelne Produkt wider.

Schlanker Footprint

Dass sich das Umwelt-Engagement von Peneder lohnt, zeigt ein Vergleich: unsere Türen und Tore weisen heute einen „CO2-Footprint“ auf, der deutlich unter dem von vergleichbaren Mitbewerbern liegt – ein großer Schritt in Richtung klimaneutrale Zukunft und ein echtes Erfolgsprojekt. Das findet auch bei unseren Kunden und anderen Unternehmen große Anerkennung, die uns gerne nach unseren Erfahrungen für ihr eigenes Energieprojekt fragen.

Blogautor 

Markus Brychta
Prozess- und Energiemanagement 
Business Unit Bau | Architektur